Taiko-Trommeln

Eine Freundin hatte mich gefragt, ob ich nicht mal Lust hätte mit zum japanischen Trommeln zu kommen in die Schule, wo sie seit einiger Zeit Schülerin ist und fleißig übt. Sie wusste, dass ich alles, was mit Rhythmus und Klängen zu tun hat, sehr gern mag. Sie fragte die japanische Trommellehrerin und diese hatte nix dagegen.

Bevor es dann wirklich losging, hatte ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht, wie das alles rein praktisch funktionieren könnte. Denn mit dem Rolli vor so einem Instrument zu sitzen und entspannt drauf rumzutrommeln, das würde nicht gehen. Die Trommeln sind zu hoch und der Rolli im Verhältnis dazu einfach zu niedrig.
Idee! Ich habe doch einen Bügelstuhl (so ein Haushaltsgerät zum erhöhten Sitzen z. B. am Bügelbrett), der um einiges höher ist als mein Gefährt. Mit dem könnte es vielleicht gehen. Ich müsste mich nur mit Unterstützung einer Person umsetzen. Wir würden es versuchen.

Etwas aufgeregt war ich anfangs schon. Klappt alles? Käme ich gut auf diesen Bügelstuhl? Würde ich nicht runterfallen bei irgendwelchen ausladenden Bewegungen? Hätte ich überhaupt genug Kraft in den Armen? Oder eine ausreichende Körperspannung? Könnte ich dem Spielrhythmus folgen? Käme ich überhaupt mit dem Spieltempo der anderen mit? Schließlich sind das ja alles Fortgeschrittene. Wie würde ich mich mit meiner Beeinträchtigung fühlen, während die anderen ja alle völlig gesund, drahtig und beweglich sind? Würde, käme, hätte, könnte. Oh Mann, Petra. Die totalen Vorurteile ...

Wahnsinn! Ich spürte die pulsierende Energie, die alles durchdrang, als ich zu Trommeln begann. Total kraftvoll, laut, aber dann auch wieder ganz leise, weich und wunderbar rhythmisch. Zwar verstand ich die japanischen, taikotypischen Kommandos nicht, mit denen die verschiedenen Übungssequenzen angesagt wurden, aber egal. Auch war ich oft aus dem Rhythmus, doch ich gab mein Bestes und trommelte, was das Zeug hielt. Ja, ich würde wiederkommen!

Tja, mittlerweile bin ich ein fester Bestandteil dieser Gruppe. Niemand schert sich darum, wenn ich die gymnastischen Vorübungen nur in reduzierter Form wegen des Rollstuhls mitmachen kann, später dann starr auf meinem Bügelstuhl sitze und auch manchmal Einzelunterricht“ benötige “, wenn ich einen völligen Blackout habe und überhaupt keinen Rhythmus mehr flüssig hinkriege. Für Zeiten, in denen ich mich körperlich nicht sehr stabil fühle, habe ich mir eine elastische Binde besorgt. Diese wird dann um meinen Bauch und die Stuhllehne angelegt, damit ich bei ausladenden Bewegungen auf keinen Fall von diesem Ding stürzen kann. Sieht nicht so gut aus. Ich kann aber sicherer agieren. Keinen stört’s, nur mich manchmal …

Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass eine Rollstuhlfahrerin regelmäßig zum japanischen Trommeln geht, zeitweise auch wirklich eine gute Figur macht (auf ihrem Bügelstuhl) und den Rhythmus beherrscht (na ja, zum Teil …) ich hätte das nicht geglaubt.


Januar 2014